Die Natur – unsere grösste (Yoga-)Lehrerin

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Nach einigen Wochen Funkstille ist es definitiv an der Zeit, wieder einmal ein paar Zeilen zu Papier zu bringen. Die letzten Wochen haben mich sehr gefordert mit wöchentlichen Yogakursen, Einzellektionen, Thai Yoga Massagen, Weiterbildungen, familiären Ereignissen etc. Solch ein dichtes Programm zwang mich einerseits dazu, ganz im Moment zu sein, was ich als sehr positiv erlebte, aber andererseits fehlte doch immer wieder die Zeit für Rückschau, Reflexion und Verarbeitung des Erlebten und Gelernten. 

So möchte ich mir heute endlich wieder einmal ein paar Stunden gönnen, um auf die vergangenen Tage in der wunderschönen Glarner Bergwelt (Klöntal) zurückzublicken.

Nun liegt bereits das dritte Modul meiner Ausbildung zum Outdoor Guide hinter mir und damit ist bereits mehr als die Hälfte der Ausbildung Geschichte. Ein guter Zeitpunkt, mir auch noch einmal die Frage zu stellen, weshalb ich diese Ausbildung überhaupt mache. Was hat diese Ausbildung mit meinem Beruf als Yogalehrerin zu tun? Ist diese Ausbildung nicht auch wieder so ein «Nebengleis», das sehr viel Zeit und Geld verbraucht und mich von meinen Kernkompetenzen abbringt?

Ich muss zugegeben, dass diese Frage durchaus ihre Berechtigung hat und ich bei mir eine gewisse Tendenz verorte, leichterhand Aus- bzw. Weiterbildungen in Angriff zu nehmen, ohne im Vorfeld gründlich genug zu bedenken, wie viel Zeit und Energie diese anschliessend in Anspruch nehmen werden. Zuletzt war dies bei der Basis-Ausbildung zur Thai Yoga Massage der Fall gewesen. Oft vergesse ich, dass ich vor Antritt einer neuen Ausbildung zuerst genügend Zeit und Raum dafür schaffen sollte, indem ich eine andere Aktivität aufhöre. Allerdings ist dies meist auch nach Beginn oder gar Abschluss der entsprechenden Ausbildung noch möglich und so bin ich manchmal ein wenig eine «Spätzünderin» und komme erst nach Ausbildungs-Abschluss so richtig auf den Geschmack, wenn ich endlich genügend «Platz gemacht» habe und das Gelernte in meinen Alltag integrieren kann. So mussten beispielsweise Ende 2017 die Sprachkurse weichen, um Platz zu schaffen für Thai Yoga Massage.

Knapp ein Jahr später stehe ich nun mit der Outdoor-Guide Ausbildung an einem ähnlichen Punkt. Es ärgert mich ein wenig, dass ich nicht mehr Zeit und Energie in diese Ausbildung investieren kann, da sie an anderen (zugegebenermassen auch tollen) Orten gebunden ist. Über kurz oder lang werde ich wieder etwas loslassen müssen, damit ich mehr Zeit in der Natur verbringen kann. Denn die Natur ist eine unglaublich wertvolle Lehrerin und auch Heilerin, der ich in Zukunft gerne noch mehr Raum in meinem Leben schenken möchte. Viele Tugenden und Weisheiten, die uns in den Schriften der Yogaphilosophie begegnen, können wir beim Unterwegssein mit einer Gruppe in der Natur ganz implizit (d.h. ohne gross über sie zu sprechen) kultivieren und trainieren. Und viele unserer gesundheitlichen Beschwerden lösen sich im wahrsten Sinne des Wortes in Luft auf. So zumindest habe ich es auch in den vergangenen Tagen beim Unterwegssein in der Glarner Bergwelt einmal mehr erleben dürfen.

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Ganz im Gegensatz zum heissen und trockenen Sommer-Modul auf den finnischen Aaland-Inseln erlebten wir diesmal gleich zu Beginn der Reise auch Kälte, Schnee und Regen. Gerade diese Wetterbedingungen bringen es jedoch (zumindest bei mir) unweigerlich mit sich, dass ich ganz und gar im Jetzt bin. Die Achtsamkeit und Präsenz, die gefordert wird, ist sogar weitaus grösser als in vielen Yogaseminaren/retreats, die ich bisher besucht habe. Während des Wanderns mit schwerem Rucksack in weglosem Berggebiet will jeder Schritt genau bedacht sein. Ein Fehltritt gefährdet nicht nur mich, sondern die ganze Gruppe. Aber auch beim Gemüse schnetzeln für das Abendessen mit dem neugekauften scharfen Taschenmesser sollte jeder Schnitt mit grosser Achtsamkeit vonstatten gehen. Schnell hat man sich in den Finger geschnitten, was vielleicht nicht gleich lebensgefährlich ist, aber doch die weitere Mitarbeit beim Kochen, Holz sammeln, Wasser filtern etc. um einiges mühsamer macht.

Beinahe unmerklich fällt vieles von dem, was wir im Alltag für unverzichtbar halten (wie z.B. Schminken, tägliches Duschen und Kleider wechseln, Gebrauch von elektronischen Geräten etc.) Schritt für Schritt von uns ab. Wie gehen wir mit dem um, was stattdessen zum Vorschein kommt? Entspricht es unseren Erwartungen oder werden wir mit Persönlichkeitszügen unserer Selbst konfrontiert, die wir lieber von uns wegschieben würden?

Für mich persönlich ist so ein mehrtägiges Unterwegssein in der Gruppe immer auch ein hochwertiges Training in den vier brahmaviharas (metta – liebevolle Güte, karuna – Mitgefühl, mudita – Mitfreude und uppekha – Gelassenheit/Loslassen).

In dieser Hinsicht bin ich mit mir selber im Rückblick auf die vergangenen Tage nicht ganz zufrieden. Nachlässigkeit bei meiner Ausrüstung haben dazu geführt, dass ich (für meinen Geschmack) zu sehr mit mir selber beschäftigt war und weniger freie Kapazitäten als gewünscht zur Verfügung hatte, um mich zum Wohle der Gruppe einzubringen. Wenn ich alleine unterwegs bin und am Abend wieder in eine Hütte gehe, ist es zum Beispiel nicht weiter schlimm, ein paar Stunden mit nassen Schuhen unterwegs zu sein. Aber wenn ich Tag und Nacht draussen bin, führen nasse Schuhe unweigerlich dazu, dass ich mich länger als andere am Feuer aufhalte, was für mich eigentlich ein No-Go ist.

In dieser Erfahrung widerspiegelt sich für mich einmal mehr die universelle Wahrheit «Liebe deinen Nächsten, wie dich selbst», wobei besonders der zweite Teilsatz für mich sehr wichtig ist. Wenn ich mich selber nicht liebe und mir aus falschem Stolz oder übertriebener Sparsamkeit keine vernünftige Ausrüstung leiste, hat das unweigerlich zur Folge, dass ich auch weniger freie Kapazitäten habe, mich mit meinen Fähigkeiten und Talenten zum Wohle meiner Mitmenschen einzusetzen. Das ist für mich das grösste Learning aus diesem Modul…

Natürlich gäbe es noch viele weitere spannende Begebenheiten zu berichten, doch für heute muss es reichen und ich hoffe, dass der/die eine oder andere LeserIn sich durch meine Zeilen inspiriert fühlt, auch wieder einmal für ein paar Tage (und Nächte) bei Mutter Natur in die Lehre zu gehen…

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