Machst du eigentlich jeden Tag Yoga?

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Immer wieder werde ich als Yogalehrerin von Kursteilnehmenden gefragt, ob ich eigentlich jeden Tag Yoga mache. Meist bleibt mir jedoch vor oder nach dem Yogaunterricht nicht wirklich genug Zeit, um eine befriedigende Antwort auf diese Frage zu geben. Das möchte ich mit diesem kleinen Text ändern.

Ich gehe stark davon aus, dass meine Kursteilnehmenden mit ihrer Frage meistens den physischen Teil des Yoga – also die Körperstellungen bzw. Asana – im Kopf haben. Würde ich die Frage also in ihrem Sinn beantworten, so müsste meine Antwort klar «Nein» lauten. Denn neben dem Yogaunterrichten praktiziere ich nicht jeden Tag für mich selber eine vollständige Asana-Lektion. Meist nehme ich mir dafür ca. drei- bis viermal pro Woche bewusst etwa eine Stunde Zeit. In dieser Stunde übe ich für mich, experimentiere mit meinem Körper und probiere neue und innovative Varianten der bekannten Yoga-Stellungen aus. Dafür sammle ich oft auch Inspirationen aus Büchern, Blogs, Podcasts, Social Media Posts etc., die ich dann während meinen «Asana-Stunden» ausprobiere.

Mache ich nun also an den anderen Tagen kein Yoga? – Weit gefehlt!
Was ich jedoch an den anderen Tagen mache, variiert sehr stark von meinem jeweiligen Tagesablauf, von meiner aktuellen Stimmung/Energie etc.
Zurzeit mache ich fast jeden Tag Atemübungen/Pranayama, da ich spüre, dass mir das im Moment sehr guttut. An Tagen, an denen ich früh aufstehe und bis abends spät unterrichte, mache ich oft am Nachmittag eine 20-minütige Tiefenentspannung/Yoga Nidra oder lege mich einfach auf meine Shakti-Matte (eines der für mich effektivsten Mittel gegen Verspannungen im Rücken). Und dann gibt es auch immer wieder einmal Tage, an denen ich weder Asanas, noch Pranayama, noch Meditation übe. Mache ich also an diesen Tagen kein Yoga?

Meine persönliche Antwort ist wieder ein ganz klares Nein, denn Yoga ist für mich (wie vermutlich für die meisten YogalehrerInnen) eine Geisteshaltung und eine Form der Persönlichkeitsentwicklung, die jeden Tag stattfindet. Doch darauf möchte ich an dieser Stelle nicht näher eingehen – es wäre allerdings mal ein Thema für einen zukünftigen Post. Heute möchte ich lieber noch einmal zurückkommen auf die ursprüngliche Frage nach «Machst du eigentlich jeden Tag Yoga?».

Oft spüre ich, dass in dieser Frage ein latent schlechtes Gewissen mitschwingt, weil der/die Fragende selber nicht jeden Tag Yoga (im Sinne von Asanas) übt. Dieses schlechte Gewissen ist meines Erachtens jedoch nicht sehr förderlich. Nach meinem Verständnis soll uns Yoga ein Stück näher zu einem Zustand führen, in dem wir uns in unserem Körper wohlfühlen – voller Lebensfreude und Energie, so dass wir unser menschliches Potenzial ganz ausschöpfen können. Ein schlechtes Gewissen bringt uns meiner Meinung nach sicherlich nicht näher zu diesem Zustand.

Natürlich ist unbestritten, dass eine tägliche Asana-Praxis viele Vorteile mit sich bringen kann. Gerade auch für Yoga-Neulinge ist das tägliche Üben der Körperhaltungen zweifelsohne sehr zu empfehlen.
So raten denn auch viele Yoga-Schriften (u.a. das Yoga Sutra), dass – wer im Yoga «erfolgreich» sein möchte – lang, ununterbrochen und mit Hingabe üben soll (vgl. YS I.14).
Allerdings gab es gerade zur Zeit des Yoga Sutra (ca. 200 v. – 200 n. Chr.) noch kein einziges Asana ausser der stabilen Sitzposition für Atemlenkung und Meditation...

Ich persönlich mache immer wieder die Erfahrung, dass ich die Asana-Praxis nach ein paar Tagen Pause (z.B. nach Ferien) beim Wiedereinstieg auf völlig neue Weise erlebe und wieder viel intensiver erfahre. Wenn ich beispielsweise in den Ferien bin, habe ich teilweise überhaupt keine Lust, Asanas zu üben und dann zwinge ich mich auch nicht dazu. Von Zeit zu Zeit braucht mein Körper einfach mal ein paar Tage Pause, um alles ein wenig setzen zu lassen und sich anschliessend auf einem neuen Level wieder zu justieren und einzupendeln.

In diesem Sinne wünsche ich allen einen wunderschönen Sommer – mit oder ohne (physische) Yogapraxis. Vor allem aber mit viel Lebensfreude und ohne schlechtes Gewissen! :-)

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