So weit die Füsse tragen...

 
Binntaler Breithorn (2599 m)

Binntaler Breithorn (2599 m)

 

Resümmee meiner kleinen Auszeit im Walliser Binntal

Gerade befinde ich mich auf dem Rückweg aus dem Walliser Binntal, wo ich vier wunderbare Tage in der Natur verbringen durfte. Eigentlich war ursprünglich geplant, dass ich über das Auffahrts-Wochenende meinen Bruder und Familie in Litauen besuchen würde. Diese Reise war jedoch Corona-bedingt leider nicht möglich. Vor einigen Wochen kam mir dann beim Joggen die Idee, dass ich ja stattdessen wieder einmal Ferien in einer Alphütte verbringen könnte. Diese Art von Ferien gefällt mir schon seit vielen Jahren und sie eignet sich hervorragend zum Abschalten vom Alltag und um die Batterien wieder zu aufzuladen.

Auf dem Schweizer Hütten-Portal sentiero.ch fand ich schnell ein paar Hütten, die meinen Bedürfnissen (erreichbar mit öV, freistehend in der Natur ohne weitere Häuser in der Nähe, guter Ausgangspunkt für Wanderungen etc.) entsprachen und wie ein Wunder war meine Favoriten-Hütte im Binntal über Auffahrt noch frei. Also zögerte ich nicht lange und meldete mich gleich an.

 
Unser Alphüttli

Unser Alphüttli

 

Am ersten Tag kamen mein Partner und ich erst gegen Abend in der Hütte an, doch reichte es noch, um mit den letzten Sonnenstrahlen am Holztisch vor dem Hüttli Znacht zu essen. Danach machten wir es uns drinnen gemütlich, da es auf 1300 m.ü.M. Ende Mai nach Sonnenuntergang doch noch recht schnell frisch wird.

Am nächsten Tag starteten wir zur erste Wanderung ins Rappetal, einem sehr ursprünglichen Tal ohne Verkehr, ja eigentlich ohne jegliche Zivilisation. Im Sommer gibt es dort offenbar Schafe, doch jetzt im Mai natürlich noch nicht. Im Rappetal angekommen, waren wir recht überrascht, wie viel Schnee noch lang – besonders auf der Nordseite. So mussten wir unsere Wanderung ein wenig umdisponieren, da es mir zu heikel war, die Schneefelder über dem reissenden Milebach zu überqueren, auch wenn ich sah, dass es einige andere Wanderer nach uns taten. Ein wenig ärgerte ich mich über mich, dass ich im Vorfeld die Lage nicht besser ausgekundschaftet hatte, denn es gibt eigentlich eine sehr tolle Webseite, die über die aktuellen Verhältnisse auf den Binntaler Wanderwegen Auskunft gibt.

Offenbar muss im Wallis dieses Jahr im Winter wesentlich mehr Schnee gefallen sein als bei uns, denn in der Zentralschweiz ist alles auf dieser Höhe aktuell schon schneefrei. Es war trotzdem eine schöne Wanderung, bei der mir auf dem Rückweg ein erstes Mal das Finsteraarhorn (4274 m) besonders intensiv ins Auge stach. Wir fanden ausserdem auch eine kleine Badestelle, wo wir ins 5-6 Grad kalte Gletscherwasser eintauchten – ein richtiger Glücksfall für Winterschwimmer. 😊
Gegen Abend machte sich mein Partner auf den Heimweg, da er am nächsten Tag arbeiten musste und ich machte ein kleines Feuer in der Feuerstelle vor der Hütte und lauschte dem Plätschern des Brunnens und den Grillen, die unermüdlich vor sich hin zirpten.

 
In der Mitte das Finsteraarhorn

In der Mitte das Finsteraarhorn

 

Für den Freitag nahm ich mir das prominente Eggerhorn (2503m) vor (Link zur Tour). Aufgrund der Schneeüberraschung vom Vortag entschied ich mich, über die Südseite aufzusteigen. Ein wunderbarer Weg führte mich zuerst durch Wälder auf die Alp Äbnimatt und dann über Wiesen zum Schlussanstieg, der teilweise etwas ausgesetzt war. Ganz oben grüsste mich der Schnee, doch es war kein Problem zum Gipfel vorzudringen, wo schon ein paar andere Wanderer am Zmittag waren. Da es allerdings etwas windig war, verweilte ich nicht allzu lange und entschied mich zum Abstieg über die Nordseite, wo noch deutlich mehr Schnee lag, doch für Leute mit ein wenig Bergerfahrung stellte dieser kein Problem dar. Einige Höhenmeter unter dem Gipfel fand ich ein wunderschönes Bänkli, auf dem ich eine kleine Siesta machte und erneut die Aussicht auf das Finsteraarhorn genoss. Wer weiss, vielleicht muss ich da mal noch rauf… Dieser Berg fasziniert mich schon seit langem, aber so intensiv wie dieses Mal habe ich ihn noch nie wahrgenommen…Der Rest des Abstiegs verlief etwas unspektakulärer zum Teil auf Alpsträsslis, aber auch durch wunderschöne Blumenwiesen. Zurück im «Basislager» genoss ich einen weiteren sonnigen Abend mit der Lektüre eines spannenden Buches.

Auf dem Eggerhorn (2503 m)

Auf dem Eggerhorn (2503 m)

Für den Samstag hatte ich mir eigentlich einen Ruhetag vorgenommen. Und plante, eine kleine Vormittagswanderung nach Binn zu machen. Am Anfang hatte ich auch tatsächlich noch ein wenig müde Beine von der Tour des Vortags, so dass es mir entgegenkam im ersten Teil der Wanderung gefühlt alle fünf Minuten stehen zu bleiben, um die Landschaft zu bewundern oder ein Foto zu machen. Dieser erste Teil der Wanderung war wirklich atemberaubend schön und ist auch sehr familientauglich. 😊
Als ich dann gegen Mittag in Binn ankam, waren meine Füsse plötzlich gar nicht mehr müde und die Vorstellung mit dem 12:30 Bus bereits wieder zurückzufahren fühlte sich bei diesem strahlenden Sonnenschein irgendwie falsch an. Der nächste Bus fuhr aber (Corona-bedingt) erst um 16:30, also noch vier weitere potenzielle Wanderstunden! 😅
Der Blick auf den Wetterbericht kündigte Regen an, doch ich vertraute auf den Rat der Einheimischen, dass der Regen im Binntal meist später einsetzt als gemeldet. Also rechnete ich mir aus, wie weit ich unter den gegebenen Wetter- und Busfahrplanbedigungen noch ins Tal vordringen könnte und kam mit meinen Berechnungen bis zu einem Ort namens Freichi/Furgmatta. Die Lust, so ein Tal bis zu seinem Ende zu erkunden habe ich schon seit einiger Zeit, da ich schon festgestellt habe, dass es ganz zuhinterst im Tal oft besonders schön und irgendwie magisch ist.
Auf dem Rückweg musste ich dann allerdings noch einen schneebedeckten Bach queren, was ich lieber nicht getan hätte, da das sehr gefährlich sein kann. Alllerdings wagte ich es dann doch, nachdem ich mir die Stelle von verschiedenen Orten her eingehend angeschaut hatte. Ich war aber froh, keine Gruppe hier drüber führen zu müssen und konnte einige gute Lernerfahrungen machen.
Kaum hatte ich diese Schlüsselstelle passiert, begann es leicht und bald stärker zu regnen, womit ich gerechnet hatte und den letzten Teil des Weges legte ich ausgestattet mit Regenjacke und Schirm zurück und kam nach kurzer Busfahrt wieder wohlbehalten im Alphüttli an. (Link zur Tour)

 
Singing in the rain 😊

Singing in the rain 😊

 

Nun ist Sonntag und bevor ich durch den Lötschberg zurück Richtung Luzern donnerte, machte ich noch eine kleine Abschiedswanderung hinunter ins Tobel der Binnaa (Link zur Tour), wo ich eine längere Zeit einfach dem Wasser zuschaute und den Fluss fragte, was er mir zu sagen habe. Eine Antwort, die ich bekam, war dass ich noch tiefer zu meinen eigenen innersten Quellen vorstossen und von dort her leben und handeln solle.
Jeder mächtige Fluss entsteht einst aus einer kleinen Quelle und auf seinem Weg ins Tal gesellt sich mehr und mehr Wasser zum vormals kleinen Bach, so dass er wächst und immer breiter wird. So scheint es mir auch mit unserem Leben zu sein – wenn unser Handeln aus unseren tiefsten Kraftquellen fliesst, finden wir Unterstützung und das Handeln wird immer müheloser und kann im Weg liegende Hindernisse locker und leicht umspülen.
Handeln wir jedoch, ohne dass es wirklich von innen kommt, sondern zum Beispiel, weil wir (vermeintlichen) Erwartungen gerecht werden wollen, dann kann es leicht geschehen, dass der Kontakt zu unserer Quelle immer mehr versiegt und unser Lebensfluss stagniert und schon kleine Steine zu einem unüberwindbaren Staudamm werden, von dem wir glauben, ihn nie im Leben überwinden zu können.

 
Die Binnaa

Die Binnaa

 

Vielleicht gehörst du zu den Menschen, die von sich selber behaupten, nicht meditieren zu können. Dann lade ich dich hiermit ein, einmal einen oder noch besser mehrere Tage für dich allein in der Natur zu verbringen. Laufe, so weit dich deine Füsse tragen (am besten mit Barfussschuhen 😉), höre keine Musik, sondern lausche auf die vielfältigen Geräusche der Natur, sieh dich satt an den Farben der Blumen, dem Grün der Blätter, den Maserungen von Baumstämmen oder nassen Steinen. Vielleicht begegnen dir Tiere wie Eichhörnchen, Ameisen, Vögel, Murmeltiere, Eidechsen, Schmetterlinge, … Vielleicht magst du an einem Ort innehalten, die Sonne, den Wind oder den Regen auf deiner Haut spüren. Oder riechst das Harz in den Nadelwäldern, den Duft von Blüten, den Geruch von Holzfeuer, das du vielleicht entzündest. Vielleicht hast du ein Ziel oder vielleicht ist der Weg dein Ziel oder beides…

Kannst du die Schönheit der Natur sehen, hören, riechen, schmecken und fühlen?

Vielleicht nicht auf Anhieb. Wie das Meditieren kann auch das Wahrnehmen der Schönheit der Natur Übung erfordern. Zumindest bei mir war das so. Noch vor einigen Jahren ging es mir beim Wandern vor allem um die sportliche Leistung und ich verpasste vieles, das am Wegrand zu sehen ist…

Ich bin überzeugt davon, dass so ein paar Tage in der Natur nichts Egoistisches sind. Denn je öfter wir so bewusst in der Natur unterwegs sind, desto mehr wird uns auch bewusst, wie kostbar und schützenswert diese ist. Vielleicht wird uns auch bewusst, dass wir eigentlich gar nicht so viel fürs Leben brauchen und weniger oft mehr ist. Und vielleicht gelingt es uns mit der Zeit mehr und mehr, die Schönheit nicht nur in der Natur zu sehen, sondern auch im Alltag, in unseren Mitmenschen und in uns selbst. 🙏

 
Dank Barfuss-Schuhen nie mehr Blasen und Knieschmerzen

Dank Barfuss-Schuhen nie mehr Blasen und Knieschmerzen

 

 

Gerda Imhof2 Comments