Dem Himmel so nah...

 
Auf dem Gipfel des Hohmad, 2416m, im Hintergrund der Barglen Schiben, 2669m

Auf dem Gipfel des Hohmad, 2416m, im Hintergrund der Barglen Schiben, 2669m

 

Etwas mehr als ein halbes Jahr ist es hier seit meinem letzten Blog-Beitrag und heute, am 2. Januar, habe ich die Qual der Wahl, was ich euch von meinem Sabbatical der letzten sechs Monate erzählen soll… So wage ich einen Mix aus Rückblick auf die vergangenen Monate und einigen Schneeschuhtipps für die Melchsee-Frutt.

Ich muss zugegeben, bis vor Kurzem war ich kein sonderlich grosser Fan von Schneeschuhlaufen, was vor allem mit einigen weniger tollen Erfahrungen aus der Vergangenheit zu tun hat, wo ich meistens entweder mit Snowboard auf dem Rücken oder mit schwerem Mehrtagesrucksack auf Schneeschuh- bzw. Snowboard-Touren ging. Kommt dazu, dass meine Schneeschuhe nicht zu den Besten gehören – ich hatte mir damals zur Studentenzeit ein Outlet-Modell gekauft, bei dem die Riemenbindung dazu tendiert, sich im nervigsten Moment zu öffnen. Mittlerweile gibt es deshalb auch kaum noch Schneeschuhe mit diesem Bindungssystem zu kaufen.

Eigentlich wollte ich nach Weihnachten noch einmal ein paar Tage ins Lassalle-Haus gehen, um in Ruhe auf mein Sabbatical zurückzublicken und weil man auch von dort aus sehr schön wandern kann – doch dann kam Corona dazwischen und das Lassalle-Haus musste zum zweiten Mal seine Türen schliessen. So entschied ich mich kurzerhand, ein paar Tage nach Melchsee-Frutt zu fahren und fand im sehr sympathischen und preiswerten Hotel Posthuis, in dem ich als Kind schon einmal gewesen war, eine super Unterkunft. Da das Skigebiet Corona-bedingt bis am 30. Dezember geschlossen war, gab es als Outdoor-Alternative eigentlich “nur” Winterwandern, Langlaufen, Schneeschuhlaufen und Ski-/Snowboardtouren. So beschloss ich, den Schneeschuhen doch noch einmal eine Chance zu geben.

Tour 1: Melchsee-Frutt - Bonistock - Chringen - Tannalp - Erzegg/Gumm - Melchsee-Frutt

Kleine Pause bei der Kapelle auf der Tannalp

Kleine Pause bei der Kapelle auf der Tannalp

Am ersten Tag entschied ich mich für die markierte SchweizMobil-Tour 791 via Bonistock und Chringen zur Tannalp. Schon nach wenigen Metern begegnete mir ein Schneehuhn und ich konnte es über eine längere Zeit beobachten. Überhaupt war es eine wunderbare Stille in dieser Schneelandschaft ohne Liftbetrieb. Da ich auf dem gespurten Trail recht schnell vorankam, war ich schon vor dem Mittag auf der Tannalp und entschied mich spontan, ebenfalls auf dem gespurten Trail (SchweizMobil-Tour 790) noch auf den Erzegg/Gumm zu steigen, von wo aus man eine sehr schöne Rundumsicht hat. Gegen 14.00 Uhr war ich dann wieder zurück im Dorf und verbrachte den Rest des Tages mit einen kleinen Jahresrückblick, für den ich den “Year Compass” verwendete, ein kostenloses kleines Büchlein zum selber Ausdrucken für den Übergang zwischen den Jahren, das mir von einer lieben Yogalehrer-Kollegin empfohlen worden war.

Im Jahresrückblick wurde mir bewusst, dass viele meiner schönsten, glücklichsten und unvergesslichsten Momente im vergangen Jahr und auch während meines Sabbaticals in der Natur stattgefunden hatten – entweder alleine oder zusammen mit lieben Menschen. Unvergesslich sind die Tage im Binntal, wo ich im 2020 gleich viermal war (siehe Mai-Blog), die schöne Outdoor-Tour im Tessin (siehe Juli-Blog), Wanderungen im Calanca-Tal, die tolle sechs Seen-Wanderung am Gotthard, die ich diesen Sommer ebenfalls zweimal gemacht habe (einmal mit noch relativ viel Schnee im Juni und einmal ohne Schnee im August), Wanderungen im schönen Zugerland während meiner Fastenzeit im Lassalle-Haus und natürlich ganz aktuell die Schneeschuh-Tage auf der Melchsee-Frutt.
Bei nicht wenigen dieser Naturerlebnisse war ich auch als Wanderleiterin unterwegs – eine Tätigkeit, die für mich sehr, sehr erfüllend war. Etwas vom Schönsten daran ist für mich, das Staunen, Strahlen und die Freude in den Augen meiner Mitwandernden sehen zu dürfen. Ihnen neue Bergwelten eröffnen zu können und sie in Kontakt mit der wunderbaren Natur und mit sich selbst zu bringen. So freue ich mich sehr, im nächsten Jahr vermehrt als Wanderleiterin tätig zu sein. 😊

Tour 2: Melchsee-Frutt - Blausee - Abgschütz - Melchsee Frutt

Der eindrucksvolle Hochstollen (2480m)

Der eindrucksvolle Hochstollen (2480m)

Die zweite Tour führte mich auf das Abgschütz (2228m), ein Pässli westlich des Frutt-Dorfes, auf dem ich im Sommer schon einmal gewesen war. Der erste Teil der Tour verlief wieder auf einem Schweiz Mobil Schneeschuh-Trail (Tour 792). Doch damit war bald Schluss und nun begann ein Schneeschuhlaufen der anstrengenderen Art durch den Tiefschnee und ich kam entsprechend langsam voran. Trotzdem war die Sicht auf den mächtigen Hochstollen sehr beeindruckend und die Einsamkeit in diesem Gebiet, wo es keinerlei Lifte und an diesem Tag auch keinerlei anderen Personen gab, tief berührend. Da es ein bedeckter Tag war, war alles in den Farbtönen schwarz und weiss gehalten. Nichts Überflüssiges, nur das Wesentliche in seiner schlichten, aber ungeheuer kraftvollen Eleganz.

Auf dem Rückweg begann es zu schneien und bald sah man kaum mehr die Hand vor den Augen, doch trotz allem war die Orientierung nicht sonderlich schwierig, konnte ich ja jetzt grösstenteils meiner eigenen Aufstiegsspur folgen und war so bald wieder zurück im Dorf.

Am Nachmittag beschäftigte ich mich noch einmal mit dem Year Compass, doch nun mit dem Teil, der auf das neue Jahr vorausblickt. Dafür brauchte ich etwas weniger Zeit, da ich mir zuvor schon recht viele Gedanken für das neue Jahr gemacht hatte. Vieles, aber noch nicht alles, was ich so für das neue Jahr an Events geplant habe, findest du bereits jetzt im Kalender. Manches andere wird in den nächsten Monaten noch dazukommen. Ausserdem habe ich mich entschieden, einen Teil meines Sabbaticals ins neue Jahr hinüberzunehmen in Form sogenannter “Creative Weeks”. Jede erste Woche im Monat werde ich keine Massagen und Privatlektionen anbieten, um mehr Zeit zu haben für kreative Tätigkeiten wie z.B. Schreiben, das Planen grösserer Projekte, Zeit in der Natur etc.

Tour 3: Melchsee Frutt - Tannensee-Umrundung - Melchsee-Frutt

Der schöne Graustock (2662m)

Der schöne Graustock (2662m)

Am dritten Tag entschied ich mich für eine kleinere Tour rund um den Tannensee, da meine Beine von der anstrengenden Spurarbeit des Vortages nun doch ein wenig müde waren. Einen Teil der Tour folgte ich spontan dem Tannenbach – auch ein wenig mit dem Hintergedanken vielleicht eine gute Badestelle zu finden, was aber nicht der Fall war. Stattdessen entdeckte ich eine lustige Wasserspitzmaus, der ich ein ganzes Stück lang folgte. Am südlichen Ufer des Sees gibt es keinen Schneeschuh- bzw. Winterwanderweg, obwohl dies auf Schweiz Mobil so eingezeichnet ist. So durfte ich wieder selber einen Weg finden, was hier aber wesentlich weniger anstrengend war als am Vortag, da es ja kaum bergauf- oder bergab ging. Auf dieser Wegstrecke hatte ich den spitzen Graustock (2662m) im Blick und merkte mir diesen für eine Tour an einem anderen Tag… 😊
Am Ostende des Sees machte ich Pause auf einem sehr schönen Bänkli und genoss die Sonnenstrahlen an diesem kalten Tag und Tee aus der Thermoskanne. Auf dem Rückweg folgte ich dem Winterwanderweg, schnallte die Schneeschuhe auf den Rücken und telefonierte während des Wanderns mit zwei Freunden. Den Nachmittag verbrachte ich mit der Lektüre des tollen Buches “Achtsame Ziele setzen: Gute Vorsätze, Versprechen und Gelübde bewusst wählen” meiner Lehrerin Jan Chozen Bays. In diesem Buch gibt es auch viele spannende Übungen, von denen ich euch gerne eine, die ich besonders interessant fand, hier mitteile.

Übung “Bucket List” aus dem obengenannten Buch (da ich das Buch auf Englisch habe, musste ich die Übersetzung ins Deutsche selbst vornehmen)

Unter einer Bucket List verstehen die meisten Menschen eine Liste mit Ländern oder Städten, die man im Laufe seines Lebens unbedingt einmal bereisen möchte. In der Übung von Jan wird die Bucket List jedoch viel umfassender verstanden. Sie lädt uns eine eine Liste zu machen mit mindestens zwanzig Dingen, die wir unbedingt einmal machen möchten bevor wir sterben, auch wenn sie zum jetzigen Zeitpunkt vielleicht noch völlig unrealistisch erscheinen mögen. Es können kleine oder grosse Dinge darunter sein. Natürlich dürfen dabei, wie bei einer “normalen” Bucket Liste, auch Reiseziele vorkommen, aber einfach nicht ausschliesslich. Anschliessend geht es darum, die Liste zu überprüfen, um zu sehen, ob es Dinge gibt, die in bestimmte Kategorien fallen. Gibt es irgendwelche Vorsätze, Ziele, Wünsche oder Sehnsüchte, die beim Betrachten deiner Liste ersichtlich werden? Mache einen konkreten ersten Schritt, um eine Sache deiner Bucket Liste in die Tat umzusetzen.

Hier eine kleine Auswahl meiner eigenen Bucket Liste: Eine Woche lang als Obdachlose leben, Patagonien bereisen, ein Buch schreiben, Feuerlaufen ausprobieren, eine Stiftung leiten, meine Aupair-Familie aus Neuseeland wiedersehen etc.

Wer sich gerne noch etwas mehr fordern möchte, kann auch versuchen eine Bucket Liste mit bis zu 100 Dingen zu erstellen. Es macht nichts, wenn zu einem späteren Zeitpunkt manche Dinge darauf nicht mehr aktuell sind und wieder gestrichen werden, denn es handelt sich ja um eine Momentaufnahme.

dem Himmel so nah…

dem Himmel so nah…

Tour 4: Gratwanderung Erzegg - Balmeregghoren

Nach der gestrigen, eher gemächlichen Tour, entschied ich mich für den zweitletzten Tag noch mal ein wenig in die Höhe zu steigen und eine kleine Gratwanderung zwischen dem Erzegg und dem Balmeregghoren zu machen. Es war der erste Tag, an dem die Skilifte wieder fuhren, doch davon liess ich mich nicht sonderlich stören. Für den Aufstieg nahm ich wieder den Schweiz Mobil Trail 790 und folgte anschliessend dem Gratverlauf. Diese Tour ist definitiv nicht für Schneeschuh-AnfängerInnen geeignet, da man schon ein wenig schwindelfrei sein muss und die Schneewechten im Blick haben muss. Ein Teil der Gratwanderung war jedoch schon von einem Schneeschuhläufer mit Hund vorgespurt. Die Aussicht ins Gental und in die umliegenden Berge war einfach grandios. Nicht viel weiter unten war zwar der Pistenbetrieb in vollem Gange, aber hier oben hatte man trotz allem seine Ruhe. Und das alles gratis, nur mit ein paar Schweisstropfen und einem guten Frühstück bezahlt.
Kurz vor dem Kulminationspunkt begegnete ich völlig unerwartet ein paar Luzerner Kollegen, die dort “im Ghetto usse” Snowboard-Tricks übten. Das war ein lustiges Wiedersehen! 🤗

Den Nachmittag verbrachte ich mit dem Updaten meiner Webseite und dem Erstellen des ersten Newsletters nach meinem Sabbatical.

Nacht über dem Melchsee

Nacht über dem Melchsee

Tour 5: Melchsee-Frutt - Bonistock - Chringen - Hohmad - Chringen - Melchsee-Frutt

Als kleine Abschlusstour nahm ich mir den Hohmad vor, den ich schon seit Tagen im Blick gehabt hatte. Es ist ein sanfter, runder Berg, den man auch bei erhöhter Lawinengefahr problemlos besteigen kann. Der Beginn der Tour ist wieder gleich wie bei der Tour des ersten Tages. Ab dem Chringen kam ich dann wieder in unbekanntes Gebiet. Ausser mir war an diesem Tag wieder keine Menschenseele auf dem Hohmad, aber es gab doch einige Spuren von anderen Tagen. Ein Mix aus Wolken, Wind und Sonne wechselte sich ab und eröffnete immer wieder neue Ausblicke. Besonders toll war die Aussicht auf dem Gipfel in Richtung Barglen-Schiben. Auch hier wäre wieder eine Gratwanderung zu holen gewesen, doch nach wenigen Schritten entschied ich mich, dass dies für mich definitiv ein zu heikles Unterfangen gewesen wäre, obwohl es vor mir anhand der gut sichtbaren Spuren schon jemand gewagt hatte. Es ist gut, seine Grenzen zu kennen und im richtigen Moment umzukehren. Auch das gehört beim Schneeschuhlaufen, Wandern oder Bergsteigen als ganz wichtiges Element dazu. Der Barglen Schiben wird auch im nächsten Sommer noch da sein und sich dann bestimmt über ein, zwei BesucherInnen freuen. 😊 Für den Rückweg nahm ich wieder die Chringen-Lücke, ging dann aber nicht mehr wie am ersten Tag weiter Richtung Tannalp, sondern querfeldein zurück Richtung Dorf, was sich als unerwartet schöner Abschluss entpuppte, bei dem mir während des Wanderns viele gute Ideen kamen. Zurück im Dorf holte ich mir noch einige Kleinigkeiten im Tutti-Frutt Lädeli, bevor ich mich nach diesen schönen Tagen mit leichter Melancholie zurück ins Tal gondeln liess…

Nun hoffe ich, dass dir dieser Blog auch Lust gemacht hat, wieder einmal in den Schnee zu gehen, vielleicht mit den Schneeschuhen, vielleicht auf Winterwanderwegen, mit dem Schlitten, Skis oder Board. Wie auch immer du unterwegs sein magst, ich wünsche dir und uns allen “es guets Neus” und fürs 2021 viele unvergessliche und glückliche Momente in der Natur und mit unseren Liebsten! 🙏

Everybody needs beauty... places to play and pray in where nature may heal and cheer and give strength to body and soul alike.
— John Muir
Gerda Imhof6 Comments